In den vergangenen zwei Wochen ist wieder mal so einiges an unseren Diven gemacht worden – sei es Verschleiß- oder Altersbedingt. Ein so großes Luxusauto will eben unterhalten werden, es gibt sich nicht damit ab es einfach nur zu fahren und dann bei Bedarf die Verschleißreparaturen durchzuführen, nein es möchte auch ganz gerne mal einfach so Neuteile verbaut bekommen – denn wie viele hier wissen hat dies einen genauso positiven Effekt auf die Diva wie eine Wagenwäsche, ein Ölwechsel oder einfach mal wieder volltanken mit dem guten Super+.
Doch nun zu unseren Erlebnissen – schön wenn man Feiertage mitten in der Woche, dazu noch an einem Donnerstag hat. Dies eignet sich dann bestens dazu einen Brückentag einzulegen und so noch mehr schrauben zu können… natürlich nur manchmal, wir wollen es ja nicht übertreiben – jetzt jedenfalls noch nicht!
Bei Johannes fünfkommasechs Schlörb erschien vor einigen Wochen die gelbe Bremsbelagverschleißanzeige – diese wurde Anfang 1976 mit der Baureihe [[W123]] eingeführt und signalisiert auf pragmatische Art und Weise dass neue Bremsbeläge fällig sind – im W126 sogar noch mit einem Verschleißgeber pro Bremsbelag, man kann also wirklich so lange fahren bis die Leuchte dauerhaft leuchtet – bei modernen Fahrzeugen jeglicher Couleur wird nur ein Geber pro Achse verbaut, es bleiben also drei Belagflächen ungeprüft zurück!
So trafen wir uns an Fronleichnam im verträumten Ghetto vor den Toren Frankfurts um uns um den blauen Wal zu kümmern – doch seht selbst..
Die Bremsanlage unseres W126 ist jedenfalls noch tief in den
1960ern verwurzelt, mit einer Bremsscheibe die von hinten auf der Nabe befestigt ist, Festsattelbremsanlage (haben heute die wenigsten Fahrzeuge). Vorteil dieser „LKW-Bremsanlage“ ist dass sie recht hohe Standzeiten erreichen kann und dann jedes Mal auch die Radlager mit frischem Wälzlagerfett (nur das giftgrüne ist erlaubt!) versorgt werden. Dies ist auch mit ein Grund warum Radlager über 250.000Km halten, denn dies ist die Regel beim W126.
Wichtig ist ebenfalls dass man sich nur dann an der Bremsanlage zu schaffen macht wenn man wirklich weiss was man da gerade macht – die die schon mal an der Bremsanlage gearbeitet haben, wissen dass es kein Hexenwerk ist, die die neu in dem Bereich der Fahrzeugtechnik sind wissen dann aber auch: FINGER WEG! Alle Bereiche die das Fahrwerk, die Lenkung und die Bremsen eines Automobils betreffen sind nicht für Laienhände bestimmt – aber man kann alles lernen, das ist nicht gerade die intellektuell anspruchsvollste Arbeit.
Zunächst einmal muss man die Nabenkappe entfernen um dann an die Sicherungsschraube der Radnabe zu gelangen – hier wird auch das Radlagerspiel eingestellt. Parallel hierzu (oder auch schon vorher) kann man die Bremsbeläge und den Bremssattel demontieren. Den Bremssattel kann man prima mit einem Stück Schweissdraht am Stabilisator einhängen und so den Bremsschlauch nicht unnötig belasten!
Man sieht nun den geschmiedeten Achsschenkel (der übrigens 1zu1 aus dem W116 mit ABS stammt) mit der Lauffläche der Radlager
bzw. der Radnabe. Hier ist alles schon ordentlich gesäubert worden, das bietet sich a) an und ist b) auch sehr sinnvoll. Denn auch bei Reparaturen am Automobil sollte es ähnlich wie in einem OP-Saal zugehen, sauber und aufgeräumt. Bei unserer Reparatur hat man hier auch gleich die perfekte Gelegenheit den ABS-Sensor zu reinigen, bzw. die magnetische Schneide vollkommen Schmutzfrei zu machen, ansonsten kann es zu ungewollten ABS-Regeleingriffen im Geschwindigkeitsbereich >10 Km/h kommen!
Die Radnabe mitsamt der Bremsscheibe kann man nun in einen Schraubstock (großes Kaliber) einspannen oder auch eine Stahlfelge dafür missbrauchen – nun geht es nämlich darum die 5 Halteschrauben (die grundsätzlich erneuert werden müssen!) herauszudrehen. Hier zeigt sich ob der Wagen einen Wartungsstau aufweist, denn wenn die Schrauben seit Jahren dort sitzen werden sie womöglich nicht so einfach demontierbar sein – noch schlimmer wird es wenn hier gespart wurde und die alten Schrauben wieder verwandt wurden, diese gammeln dann meist unweigerlich fest – ein Fest im wahren Sinne des Wortes.
Die demontierte Bremsscheibe wird entsorgt und die Radnabe gereinigt – an deren Rückseite befindet sich der eingegossene Segmentring für den Drehzahlfühler des Antiblockiersystems. Hier sieht man bereits die neuen Lagerschalen der Radlager – denn es bietet sich an die Radlager gleich komplett zu erneuern – der Rep.Satz liegt pro Seite bei nur rund 50 EURO bei Mercedes.
Jetzt ist die Radnabe bereit zur Aufnahme der neuen Sonderbremsscheiben – wir entschieden uns hier einen Schritt in die Moderne zu wagen – bei den aktuellen Modellen der S-Klasse ist es Usus dass die Bremsscheiben gelocht sind, warum also nicht auch beim W126? Der Aufpreis dafür ist natürlich nicht ohne, andererseits halten neue Bremsscheiben womöglich über 10 Jahre (bei um 8.000Km p.A.) – ausserdem sieht es auch verdammt cool aus…
Die neuen Radlager muss man dann natürlich erst einmal mit ordentlich (Menge beachten!) Wälzlagerfett Castrol LMX einschmieren und dann sorgfältig in ihre neuen Lagerschalen einsetzen. Beim Hauptlager wird anschliessend noch der Wellendichtring eingeschlagen – man muss hier wirklich sorgfältig arbeiten, damit nicht nachher Fett austritt und das ABS stören kann.
Nachdem das Radlagerspiel korrekt eingestellt wurde wird bevor die neue Nabenkappe (mit korrekter Fettmenge gefüllt) wieder aufgeschlagen wird noch ein kleines Bauteil montiert das meist vergessen wird – die Entstörfeder.
Nun montieren wir den Bremssattel wieder – selbstverständlich ebenfalls mit neuen Schrauben – und verbauen die neuen
Bremsbeläge. Wir haben uns für ATE Standardbeläge entschieden die mit ein wenig Spezialbremsenpaste von Mercedes
verbaut wurden. Auch haben wir die Haltebolzen der Beläge erneuert (die Federn waren leider auf die Schnelle nicht lieferbar und werden noch erneuert!) – dadurch kann ein Bremsklotz nicht verklemmen und so unnötigen Verschleiß verursachen.
Letztendlich haben wir ganz schön geschwitzt, denn es ist erstaunlich viel Arbeit an der alten Diva mal eben die Bremsanlage zu überholen – doch es lohnt sich – wer weiss was er tut und bei so etwas auch Spass empfindet (wenigstens am Endergebnis) der kann hierbei viel Geld sparen und ein paar Handgriffe mit erledigen die nicht unbedingt in jeder Werkstatt getan würden.
Nach einer behutsamen Fahrt auf nicht-öffentlichen (!) Straßen ist eine Endkontrolle obligatorisch. Jedoch wer genau nach Vorschrift arbeitet wird hier kein Aha-Erlebnis der besonderen Art erleben, es ist kein Hexenwerk! Dennoch übernehmen wir keinerlei Haftung für unseren kleinen Report – seht es einfach als kleinen Bericht aus der Versuchsküche von 5,6…
Unsichtbar und dennoch nicht gänzlich verborgen – die neue Bremse mit Biss™.
Doch wer jetzt denkt das war schon alles, der hat nicht gründlich genug gelesen… genau, da stand doch noch etwas von Mehrstoffbuchsen, stimmt genau. Doch dafür brauchen wir zunächst erst einmal ein anderes Versuchsfahrzeug und auch einen Tapetenwechsel!
Ausserdem ist es ohnehin sinnvoll, denn eine nagelneue Bremsanlage gehört zwingend eingefahren – man sollte mit ihr nicht unbedingt gleich in den Großstadtdschungel, besser ist es auf gut 200-400 idyllischen (und ruhigen) Autobahnkilometern z.B. in die Eifel zu fahren um Zeuge unserer nächsten OP zu werden – so geschah es dann auch.
Gerold Sechskommaneun Saxler wollte mir freundlicherweise helfen das Mittellager und die Zentrierhülsen (Mehrstoffbuchsen) meiner Gelenkwelle (umgangssprachlich auch Kardanwelle genant) zu wechseln. Hierfür braucht man unbedingt eine Hebebühne (oder größere Grube) und Know-How… hat man eben noch Nachhilfeunterricht gegeben und Bremsscheiben gewechselt, so findet man sich nun schnell in der Rolle des Schülers wieder und lauscht dem Herrn Dipl.-Ing. andächtig..
Doch nun erst einmal rauf auf die Bühne mit dem Rennpferd und die Lage sichten..
Eigentlich ist es kein großes Hexenwerk – den Auspuff aushängen und am seiner Getriebeseitigen Befestigung lösen und ein Stück absenken, das Wärmeschutzblech demontieren und schon kommt man an alle Befestigungspunkte der Gelenkwelle.
Die Gelenkwelle wird nun markiert und dann auseinander gezogen. An beiden Enden befinden sich die Mehrstoffbuchsen die man auch als Zentrierbuchsen bezeichnet, sie wurden früher als der W126 noch im Tagesgeschäft der Mercedes Service-Stationen war immer im Zuge eines Wechsels einer Hardyscheibe mit ausgetauscht. Bei meinem Wagen war es aber noch die Werksausstattung – Wartungsstau par excellence!
Der Austausch der Mehrstoffbuchsen ist recht simpel – wenn man denn erstmal die beste Methode gefunden hat. Viele Wege führen bekanntlich nach Rom… selbst die WIS schlägt verschiedene Möglichkeiten vor. Letztendlich war ein rundherum erfolgtes seitliches Austreiben am effektivsten und auch schnellsten.
Der Austausch des Mittellagers und Faltenlagers ist noch viel einfacher – man muss das Rollenlager nur in das Faltenlager einpressen und es dann reihum von der Gelenkwelle schlagen. Das neue dann mit einem geeigneten Aufsatz aufpressen und schon ist dieser Part erledigt. Vorsicht ist hier nur beim sortieren der Abstandscheiben bzw. Abdeckscheiben geboten.
Wichtig ist dass man vor dem auseinander ziehen der beiden Gelenkwellenhälften deren Stellung zueinander markiert hat. Die beiden Teile werden im Werk gewuchtet und sollten auch wieder in dieser Stellung verbaut werden!
Anschliessend kann man schon wieder mit der Wiedereinbau der neuen Gelenkwelle beginnen.
Der Effekt dieser vergleichsweise kleinen OP ist dass es deutlich weniger Geräusche aus dem Kardantunnel während der Fahrt gibt. Bei meinem Wagen war wohl alles noch in bester Ordnung, trotz 266.000Km die diese Bauteile gelaufen hatten – aber es ist schön zu wissen wieder ein paar Punkte von der Liste streichen zu können. Ob sich irgendwelche Vibrationen verändert haben bzw. sogar verschwunden sind kann ich nicht mit Sicherheit sagen, denn mein Wagen ist da ohnehin sehr Fahrbahnbeschaffenheitsabhängig und hat mal keinerlei Unwuchten und dann doch wieder spürbare. Nächster Punkt wird deshalb die Fahrwerksvermessung bei Mercedes sein!
Fotos: ©fuenfkommasechs.de