NVH Benchmark im Segment, die neue S-Klasse W222

Die Geschichte des Akustik- und Schwingungskomforts

Ihr versteht nur Bahnhof? Macht nichts, ich erkläre es sofort – unter dem technischen Kürzel NVH fasst der Ingenieur die englischen Begriffe „Noise, Vibration & Harshness“ zusammen. Übersetzt bedeutet dies soviel wie die Bezeichnung für das Geräusch-, Vibrations- und Federungsverhalten bzw. den Akustik- und Schwingungskomfort.
Im Grunde also alles was den Automobilisten bei seiner Fahrt mit dem Fahrzeug stören könnte!

Wie macht man ein sehr perfektes Automobil besser? Mit dieser Frage muss sich die Entwicklungsabteilung  bei Mercedes-Benz nicht erst seit ein paar Jahren herumplagen, vielmehr ist sie gelebter Alltag seit Anfang 1973 – seinerzeit begannen die Entwicklungsarbeiten an der BR 126, dem Nachfolger der BR 116 die von namhaften Automobil-Magazinen erstmals als „Das Beste Auto der Welt!“ bezeichnet wurde.

Tja und so haben die Ingenieure derweil schon eine gewisse Routine, gar eine Souveränität die immer wieder aufs Neue beeindruckend ist, bei dieser Thematik entwickelt.

Auch bzw. gerade die neue S-Klasse der Baureihe 222 soll sich wieder den Titel des „Besten Automobils der Welt“ erkämpfen, oder besser ihn sich verdienen. Daran legt die Entwicklungsmannschaft (sagt man so, obwohl hierzu auch zahlreiche Frauen gehören!) seit vielen Jahren alles, denn das Projekt 222 ist nicht erst ein paar Jahre alt.
Im Grunde immer wenn eine neue S-Klasse präsentiert wurde, beginnen gleich schon die Entwicklungsarbeiten mit ersten Ideenfindungen zur Nachfolgegeneration. Auch wenn man davon jetzt noch gar nichts hören möchte: nach der S-Klasse ist vor der S-Klasse.
Der Nachfolger der Baureihe W222, der vermutlich auf den Code W223 hören wird, dürfte vor 2022 nicht auf den Markt kommen, doch das ist jetzt wirklich vermessen darüber noch weiter zu philosophieren – dennoch werden im kommenden Jahr hierzu die Entwicklungsschwerpunkte abgesteckt werden!

Entscheidend für eine entspannte Langstreckenfahrt sind demnach geringe Windgeräusche, keine störenden Dröhngeräusche von Motor, Antriebsstrang, Auspuff oder dem Fahrwerk – dies alles nimmt bewusst oder unbewusst Einfluss auf die Konditionssicherheit des Fahrers. Gerade in diesen Disziplinen zeichnet sich eine S-Klasse seit jeher aus.
Jeder der einmal mit einem W126 eine längere Strecke gefahren ist und später einmal eine ähnlich lange Strecke mit dem Nachfolger W140 bewältigt hat, der weiß um den Unterschied. Und der W126 war in den 1980ern das Beste Auto in seinem Segment, nicht ohne Grund konnte ihm gegen Ende seiner Bauzeit kein Mitbewerber-Fahrzeug das Wasser reichen (Zulassungszahlen bezogen).

Oben eine Grafik die jetzt zur neuen S-Klasse herausgegeben wurde und verdeutlichen soll welche Geräusche wann auftreten und vor allem sich mit zunehmender Geschwindigkeit herausarbeiten.
Man erkennt deutlich das für eine Langstrecken-Reiselimousine der aeroakustische Komfort nahezu entscheidend ist – neben dem Schwingungs-, also dem Federungskomfort.

Seit jeher ist die S-Klasse ein aerodynamisch ausgefeiltes Fahrzeug, seit den Baureihen 220 und 221 auch immer an vorderster Spitze in ihrem Segment. Auch die Baureihe 222 wird hier Maßstäbe setzen und soll somit den besten Cw-Wert in dieser Klasse erzielen, er wird aller Voraussicht nach bei 0,24 liegen (W221 liegt bei 0,26).

Doch noch viel interessanter – weil auch ungleich aufwendiger – ist der aeroakustische Komfort. Bereits im Laufe des Sommers 1988 ließ man bei Daimler-Benz seinerzeit erstmals in einer laufenden Serie zahlreiche Maßnahmen bei der Baureihe 126 einführen die für mehr Fahrkomfort durch spürbar weniger Geräusche sorgten.

Im Vergleich zu modernen Fahrzeugen muten die Maßnahmen damals fast schon etwas skurril an. Bei der neuen S-Klasse kommt nun erstmals ein extrem versteifender (somit auch weniger Schwinungsgeräusche!) Aluminium-Vorbau zum Einsatz. Mit zahlreichen Alu-Gusselementen und Strangpressprofilen ist er erstmals als schwingungstechnisch mittragendes Element konstruiert worden. Der Aufwand zahlt sich aus!

Hier eine generelle Übersicht die den enormen Aufwand der bei der neuen S-Klasse betrieben wurde gut visualisiert:

Ein völliges Novum sind rohbauversteifende Schäumlinge in den A-/B-/C-Säulen, Schwellern und Längsträgern. Sie übernehmen die Aufgabe von Schottwänden und lassen so keinen Schallübertrag zu (oben rot eingefärbt)

Beim TecDay in der vergangenen Woche konnte man die S-Klasse auch aus der Konserve erleben. Es gab ein Soundfile aufgenommen bei einer Autobahnfahrt mit ca. 200 Km/h. Jeweils erhörbar waren der Faherplatz und ein Sitzplatz im Fond, verglichen wurde ein Wagen der BR 221 mit einem der neuen BR 222. Subjektiv kann man mit Sicherheit von -2 bis -3dB weniger Schalldruck ausgehen, wobei -3dB schon einer Halbierung des Geräuschpegels entspricht.
Das bedeutet im realen Leben weniger Geräuschbelastung für die Insassen und weniger Anstrengung sich im Fahrzeug bei normaler Lautstärke unterhalten zu können, somit auch weniger Streß für die Insassen!

Windgeräuschen wirkten die Aeroakustiker mit gezielten Maßnahmen entgegen. Zur Reduzierung von hochfrequenten Windgeräuschen wurde ein neues Dichtungskonzept der Seitenscheiben und der Türgriffe entwickelt. Gleichzeitig sind die neuen Außenspiegel und die geringe Stufenhöhe der A-Säule entscheidend für weniger Geräuscheinfluss auf den Fahrgastraum.

Auch beim Schiebe-Hebedach-Modul mit neuerdings vergrößerter Öffnungsfläche ist es gelungen den bekannt guten Geräuschkomfort der BR221 beizubehalten.

Die textilen Unterboden- und Radlaufverkleidungen reduzieren durch dämmende absorbierende Wirkung die hochfrequenten Abrollgeräusche in den Innenraum.

Und wer sich jetzt noch fragt wie es um den Federungskomfort bestellt sein wird, den kann ich ebenfalls beruhigen und auf einen Artikel von vor ein paar Wochen verweisen. Stichwort: Magic Body Control (SA-Code 487).

Das alles klingt jedenfalls sehr vielversprechend und man kann es wirklich kaum erwarten dies endlich einmal erfahren zu dürfen. Aber auch noch weitere Details sind spannend zu erfahren, jedoch muss man sich darauf noch sieben Wochen gedulden. Ich wiederhole mich: aber Vorfreude ist doch mit die schönste Freude!

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG

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