Bevor sich jetzt irgendjemand fragt was das mit fünfkommasechs.de zu tun hat, bzw. ob ich mich womöglich in der Tür geirrt habe, mitnichten kann ich da nur entgegnen!
Bis zum vergangenen Sonntag hatte ich mit Vorkriegsautomobilen auch relativ wenig „am Hut“, wie man umgangssprachlich so schön auszudrücken pflegt. Es gab hier und dort ein paar interessante Exemplare, gut, das war es dann aber auch schon. Meine automobile Leidenschaft erstreckte sich eher auf die späteren Nachkriegsfahrzeuge.
Nun denn, dies änderte sich schlagartig als ich auf den weißen Elefanten traf, genauer den Mercedes-Benz SSK der Baureihe W06.
Im Rahmen des ADAC-Eifelrennens auf dem Nürburgring fand ein „Elefanten-Rennen Revival mit Le Mans Start“ statt. Auf dem GrandPrix-Kurs der Nordschleife wurde dieses Rennen zu Ehren des Mercedes SSK ausgetragen. Nicht weniger als vier dieser legendären Herrenfahrer Rennwagen traten an.
Doch was ist der SSK eigentlich und wie kam er zu seinem Spitznamen?
Der SSK ist Spross der so genannten „S-Reihe“ die 1927 von Daimler-Benz vorgestellt wurde. Das „S“ stand hierbei für „Sport„, es handelte sich um einen Sportwagen der auch bei Rennsportveranstaltungen eingesetzt werden konnte. Man entwickelte sein Chassis aus dem bekannten Modell „K“, dessen Abmessungen man übernahm, durch stärker gewölbte Kröpfungen an Vorder- und Hinterachse wurde der Rahmen deutlich tiefer gelegt. Weiter wurde die Achslastverteilung positiv beeinflusst da man den Motor 30cm nach hinten versetzte, hierdurch konnte der großvolumige Sechszylinder auch tiefer eingebaut werden. Der M06 genannte Motor verfügte damals schon über Doppelzündung und somit zwei Zündkerzen pro Zylinder, von denen je eine über die klassische Hochspannungs-Magnetzündung und die andere über Batteriezündung versorgt wurde. In Verbindung mit einer Zwei-Vergaseranlage leistete der neue Sportmotor offiziell 180PS mit Kompressor. Werksmotoren mit höherer Verdichtung kamen bei Betrieb mit Benzolgemisch auf bis zu 220PS.
Seinen ersten Einsatz hatte der Typ „S“ beim Eröffnungsrennen auf dem Nürburgring im Juni 1927, wo er Rudolf Caracciola und Adolf Rosenberger zu den Plätzen 1 und 2 verhalf.
1928 ging man nun daran, die Leistung weiter zu erhöhen, mit Umstellung auf nasse Zylinderlaufbüchsen hatte man genügend Raum gewonnen, um die Bohrung um weitere 2 auf 100 mm zu erhöhen. Daraus resultierte ein Hubraum von sagenhaften 7,1 Litern. Den neuen Motor gab es in zwei Leistungsstufen:
- die zahmere Variante mit einer Verdichtung von 4,7 leistete 140/200 PS
- die mit 5,2 höherverdichtete Ausführung hatte offiziell eine Leistung von 160/200 PS. (Jedoch kann als sicher gelten, daß aufgrund der höheren Verdichtung und der entsprechenden Abstimmung die angegebene Kompressorleistung von 200 PS übertroffen wurde)
Für den Renneinsatz wurde darüber hinaus eine Renn-Nockenwelle entwickelt, die die Leistung auf 170/225 PS erhöhte. Ferner hatte man auch stärkere Kompressoren mit größeren Drehflügeln parat. Mit dem kleineren der beiden Rennkompressoren wurde eine Leistung von 275 PS erreicht. (Diese Kompressorausführung stand ebenso wie die Renn-Nockenwelle auch Privatfahrern zur Verfügung)
Das 7,1-L-Aggregat war Mitte 1928 einsatzbereit und wurde in das Fahrgestell des Typ „S“ eingebaut. Der mit dem neuen Motor ausgerüstete Rennsportwagen erhielt die Bezeichnung „SS“ – für Super-Sport. Am 29. Juni erlebte er seine Feuertaufe beim Bergrennen auf die Bühler Höhe, das im Rahmen des Baden-Badener Automobil-Turniers stattfand und von Rudolf Caracciola souverän gewonnen wurde.
Während bei der Konzeption des Typ „S“ vor allem die Rennsporttauglichkeit im Vordergrund gestanden hatte, war der „SS“ trotz seines leistungsgesteigerten Motors in erster Linie als Gran-Tourismo heutiger Prägung gedacht. Deutlich wird dies z.B. am Kühler, der mit acht Blöcken wieder die gleiche Höhe wie beim „K“ aufwies und damit eine höhere Karosserielinie als beim „S“ ermöglichte.
Der Typ „SSK“ (die Bezeichnung steht für Super-Sport-Kurz) wurde aufgrund der zahlreichen Bergrennen geboren. Man verkürzte den Radstand des Typs „S“ auf 2950mm und verbaute den neuen großen 7,1-L Motor. In Verbindung mit dem flacher bauenden Kühler des Modells „S“, wäre der „SSK“ eigentlich ein „SK“, jedoch war die Verwandschaft zum „SS“ Modell Dank des neuen Aggregats größer und so wählte man die Bezeichnung „SSK“.
Von 1928-1932 wurden laut offizieller Statistik lediglich 33 Exemplare dieses legendären Zweisitzers gebaut.
Für die Rennsportwagen des Werksteams mobilisierte Motorenkonstrukteur Albert Heeß die letzten Reserven des Triebwerks. Mit dem größeren der beiden Wettbewerbskompressoren, hausintern „Elefant“ genannt, wurden auf dem Prüfstand 310 PS gemessen. Dieser Lader war für den Kurzstreckeneinsatz, z.B. bei Bergrennen, konzipiert und konnte permanent mitlaufen, während der Kompressor sonst üblicherweise durch volles Durchtreten des Gaspedals über einen Druckpunkt hinaus zugeschaltet wurde.
Das vierte und letzte Modell der S-Reihe war der „SSKL“ (Super-Sport-Kurz-Leicht), ein reines Wettbewerbsfahrzeug, das 1931 nur in wenigen Exemplaren gebaut wurde und nicht im offiziellen Verkaufsprogramm enthalten war. Mit Erleichterungsbohrungen, die sich teilweise über den ganzen Rahmen erstreckten, hatte man das Gewicht um 125 kg reduziert.
Mit einem „SSKL“ gewann Rudolf Caracciola als erster Nicht-Italiener die „Mille Miglia“ sowie zahlreiche weitere Rennen, die ihm die Europa-Bergmeisterschaft des Jahres 1931 einbrachten. Hans Stuck wurde 1932 auf „SSKL“ Internationaler Alpenmeister und Bergmeister von Brasilien.
Ich hoffe Ihr seht mir diesen kleinen Exkurs in die Welt der Supersportwagen der frühen 1930er Jahre nach, denn wer einmal einen solchen SSK in voller Fahrt gesehen und vor allem gehört hat, um den ist es mit Sicherheit genauso bestellt wie um mich: er ist dem SSK nahezu hoffnungslos verfallen.
1934, drei Jahre nachdem der „SSKL“ die Bühne betreten hatte, wurden die Rollen bei Daimler-Benz neu besetzt. Für die Motorsporterfolge waren ab sofort die neuen Silberpfeile zuständig, die naturgemäß nicht alltagstauglich waren und auch für betuchte Kunden unerreichbar blieben. Aus diesem Grund kann man heute sagen dass es so etwas wie den „SSK“ nie wieder gegeben hat und auch so nie wieder geben wird. Im Grunde wäre es vergleichbar, wenn man sich heute einen aktuellen Formel 1 Silberpfeil kaufen und mit diesem Wagen auch ganz privat am zivilen Straßenverkehr teilnehmen könnte.
Und warum jetzt „weißer Elefant“? Bis in die 1930er Jahre waren alle Rennwagen aus Deutschland weiß lackiert, so eben auch die SSK. Die Bezeichnung Elefant leitet sich zum einen aus dem intern so betitelten größten Kompressor ab, gleichwohl aber auch durch sein fast „elefantenartiges Tröten“ bei voller Fahrt. Sehr gut im Video zu hören, denke ich!
Fotos: ©Daimler AG