Die Entwicklung des Kombiinstrument der Mercedes S-Klasse, historisch und modern (W222)

Manche nennen es schlicht Tacho oder auch Tachometer, korrekt wäre hier aber viel mehr Geschwindigkeitsmesser. Wobei selbst dieser Begriff weniger als die halbe Wahrheit bedeutet.
Die Rede ist heute vom so genannten Kombiinstrument; ob dies nun ein Daimler-eigener Begriff ist, kann ich gerade gar nicht mit Sicherheit sagen, könnte aber durchaus sein.

Seinen Anfang machte der Begriff Kombiinstrument in den Ponton-Modellen die heute als Vorläufer der S-Klasse gelten. Im Jahre 1954 wurde jedoch noch nicht wirklich viel an Information geboten:

W180, W105, W128 – „Ponton-Mercedes“ Sechszylindertypen

Mehr als Geschwindigkeit, Tankinhalt, Öldruck, Kühlwassertemperatur sowie zurückgelegte Strecke (immerhin mit Tageskilometerzähler) wurde dem Fahrer nicht an Information geboten.

Ab 1959 gab es in den so genannten Heckflosse-Modellen einen neuartigen Fieberthermometer-Tachometer. Diese Bezeichnung kam durch die ansteigende Skala statt einer Tachonadel.

W111, W112 – „Heckflossen-Mercedes“ Sechszylindertypen

Fast schon ein wenig avantgardistisch mutet diese Optik heute an – ein wenig Art Déco.

Mit der 1965 eingeführten „alten S-Klasse“, kamen erstmals sportive Rundinstrumente in die Limousinen. Sie waren bisher den Käufern der großen Coupés und Cabriolets vorbehalten.

W108, W109 – „alte S-Klasse“ Sechszylinder und Achtzylindertypen

Die gebotene Information für den Fahrer war immer noch identisch wie in den beiden Generationen zuvor, doch ansprechender und somit leichter (schneller) abzulesen. Ein nicht zu unterscheidender Sicherheitsaspekt.

Im Spitzenmodell 300SEL 6.3 (ab 1968) gab es sogar erstmals einen Drehzahlmesser in einer S-Klasse!

Als 1972 die erste offiziell so bezeichnete S-Klasse auf den Markt kam, war diesen Fahrzeug voll von Innovationen. Nicht das dies zuvor nie der Fall gewesen sei, doch diesmal übertrumpfte man alles bisher bekannte.
So kamen auch kontrastreiche Instrumente zum Einsatz, mit Sicherheitsfarbe auf den Zeigern – alles Errungenschaften der damals populären Experimentier-Sicherheitsfahrzeuge ESF. Zudem war hier erstmals der Kilometerzähler sechsstellig!

W116 – die erste S-Klasse, Sechszylinder und Achtzylindertypen

Die Grundinformationen die dem Fahrer geboten wurde war auch hier immer noch identisch, wenn auch deutlich ansprechender dargestellt und schneller abzulesen. Jedoch gab es den Drehzahlmesser (SA 45/1) von nun an für alle Modelle auch gegen Aufpreis (mit Ausnahme des Vergaser-Modells).

Die Neue S-Klasse feierte im September 1979 ihre Weltpremiere und brachte etwas völlig neues zu den Autofahrern dieser Zeit. Erstmals eine Verbrauchstendenzanzeige, von Daimler-Benz auch Economy-Anzeige genannt.

W/V126 – die Neue S-Klasse – Sechszylinder und Achtzylindertypen

Die Darstellung wurde noch einmal verfeinert und von der Aufmachung her technischer. Ab 1984 gab es erstmals überhaupt in einem Mercedes einen Reiserechner genannten Bordrechner. Heute ein bewundertes Werk der Technik und eine gesuchte Sonderausstattung (SA 245).

Doch damit nicht genug, in den Zeiten der BR 126 wurde auch erstmal mehr oder minder öffentlich mit neuartigen Flüssigkristallanzeigen (LCD-Displays) experimentiert. Man suchte Lösungen und Möglichkeiten dem Fahrer noch mehr Informationen zur Verfügung stellen zu können.
Im 1981 präsentierten Forschungswagen „Auto 2000“ gab es ein solches Fahrer-Informations-System.

Mehr dazu bei uns im Artikel zum „Auto 2000“. 

Die große S-Klasse für das Jahr 2000 erschien 1991 mit einem Paukenschlag, nicht überall gleichermaßen beliebt, aber dafür mich vielerlei technischen Lösungen die es so zuvor noch nie gegeben hatte. So stand sie in bester Tradition mit ihren Vorgänger-Baureihen.

W/V 140 – die große S-Klasse – Sechszylinder, Achtzylinder und Zwölfzylindertypen

Hierbei wurde erstmals wieder seit 1971/1972 ein nahezu einheitliches Kombiinstrument für die SL Modelle (R129) und für die S-Klasse verbaut. Die schönste Ausführung wurde bis 1994 verbaut, hierbei gab es erstmals (und letztmals) bei einem Mercedes eine Öldruck-Warnleuchte und als Gipfel der technischen Meisterleistung gab es hier beleuchtete Drehwalzen der Fahrstreckenzähler. Auch wurden hier erstmals die Instrumente hinterleuchtet und waren deshalb signifikant besser ablesbar.

In den Nachfolgen-Modellen wurde das Konzept in Richtung Display-Anzeige deutlich vorbereitet und geebnet. Es sind zwar völlig konventionelle Instrumente mit Durchlichttechnik, aber von der Darstellung her digital anmutend.

W/V 220 – die Neuzeit S-Klasse – Sechszylinder, Achtzylinder und Zwölfzylindertypen

Mit der BR 220 wurde erstmals serienmässig ein Reiserechner und ein Multifunktionsdisplay mittig im Tachometer verbaut. Man konnte sich diverse Informationen und Ist-Zustände anzeigen lassen, gesteuert über Tasten im Lenkrad. Als Bonus gab es einen Wartungsrechner (der auch im letzten Baujahr der BR 140 verbaut wurde, aber ohne zugehöriges Display). Also genau 17 Jahre nachdem es erstmals im „Auto 2000“ präsentiert wurde.

Als auf der IAA 2005 die gerade ausgelaufene BR 221 präsentiert wurde, da war es eine kleine Sensation. Ein Display statt eines konventionellen Instruments. Man muss bedenken, das war zu einer Zeit in der es keine Smartphones gab (das iPhone kam erst 2007 auf den Markt) und Displays waren allenfalls bei den damals noch sehr neuen Navigationsgeräten in der Mittelkonsole verbaut. Diese waren aber nicht in der Lage flüssig ein analoges Zeiger-Instrument simulieren zu können.

W/V 221 – der moderne Klassiker – Vierzylinder, Sechszylinder, Achtzylinder und Zwölfzylindertypen

Das Zentraldisplay wurde übrigens mit einer speziellen Folie versehen die sofort nach dem Einschalten der Zündung das Flüssigkristalldisplay leicht beheizte, so dass man keine Probleme bei Kaltstart im Winter mit zuckenden oder hängenden Anzeigen hatte. Zudem wurde es aktiv belüftet (wie übrigens auch immer die Displays des Comand in der Mittelkonsole) damit es autotauglich wurde.

Mit der neuen S-Klasse geht Mercedes wieder einen enormen Schritt in Richtung Zukunft – in einer Welt die von Smartphones, Tablet-Computern und allerlei sonstiger Darstellungsgeräte dominiert wird, war es nur logisch und folgerichtiger Schritt nun auch in der „Königin der Straße“ den Weg zum multimedialen Darstellungsgerät zu gehen.

W/V 222 – die neue S-Klasse – Vierzylinder, Sechszylinder, Achtzylinder und Zwölfzylindertypen

Das Kombiinstrument (ebenso das Comand-Display) verfügen jeweils über ein High Definiton-Display im Format 8:3 mit je einer Bildschirmdiagonale von 30,7cm (12,3 Zoll).
Die Auflösung beträgt 1.440 x 540 Pixel und zeigt eine super-scharfe Grafik mit ansprechenden Designs. Teilweise sehr Detailversessen, aber niemals verspielt. Die Darstellungsmöglichkeiten sind von nun an schier unbegrenzt, sagenhaft.

Doch da wir hier über eine S-Klasse sprechen und Mercedes nicht Mercedes wäre wenn hier etwas anderes vorzufinden wäre, wurde statt einer neumodischen Darstellung alles daran gesetzt die in ihrer schnellen Erfassung durch den Fahrer (Stichwort: Ablesbarkeit) unübertroffenen Rundinstrumente modern zu interpretieren. Von der Grafik erinnern sie ein wenig an die Modelle W108/109 und W126 – mit ein wenig Phantasie.

Völlig neu hingegen ist eine Darstellung des noch verfügbaren Kraftstoffvolumens mittels einer Prozentanzeige. Doch dies ergibt Sinn, denn überall wird heute mit Prozentanzeigen die noch verfügbare Energie dargestellt – dies ist sicherlich ein guter Weg auf schnelle Art und Weise darüber zu informieren.

Eine Frage die vielleicht noch ganz interessant ist – wenn man die Fahrertüre öffnet und weder die Zündung aktiviert noch irgendetwas im Display verstellt, so schaltet sich das Display nach ca. 30 Sekunden aus und zeigt nur noch die Gesamtlaufleistung. Eine Art Bildschirmschoner.

Wir werden in den kommenden Wochen noch ein ausführliches Video zum neuen Anzeigekonzept der neuen S-Klasse nachliefern.

Und ja, als jemand der den Reiserechner verehrt und diesen für viel Geld in seinen 300SE nachgerüstet hat, bin ich wirklich begeistert vom neuen Kombiinstrument in der neuen S-Klasse. Ich bin in solchen Bereichen eben ein Geek.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG

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