Im Rahmen der Veranstaltung von Daimler Classic über die wir vor einigen Tagen berichtet hatten, ging es auch in den ältesten Windkanal Deutschlands. Dieser wurde seinerzeit vom Stuttgarter Professor Wunibald Kamm für das FKFS in Stuttgart-Untertürkheim eröffnet und gehört seit Mitte der 1970er Jahre zu Daimler-Benz.
Wem der Titel bekannt vorkam, der braucht sich nicht weiter wundern – „Luftwiderstand zwecklos“ ist u.a. eine aktuelle Pressenotiz zum neuen Mercedes CLA (C117) der aktuell den Luftwiderstands-Weltrekord mit 0,23 für Serienfahrzeuge hält (0,22 sogar als CLA180 Edition) und in meinen Augen sehr schön und immer passend ist wenn es um Aerodynamik und Luftwiderstand geht.
Im Grunde kann man sagen dass die Forschungsarbeiten zur Verringerung des Luftwiderstands schon seit jeher zum Automobil gehörten, zumindest seit den 1930er Jahren. Doch früher wurden dort mehr Silberpfeile und Sportwagen optimiert bzw. auf ihre Windschlüpfrigkeit hin überprüft.
Bei uns ist das Thema Aerodynamik auch immer mit großer Bewunderung behandelt worden, so gibt es u.a. diesen Bericht bei uns mit ganz interessanten Fotos zu alten SL Baureihen im Windkanal – doch hier und heute geht es wieder um die S-Klasse!
Auf der Tagesordnung im Windkanal standen die Baureihen 116, 126 und 140 – die angegebenen Cw-Werte für diese Fahrzeuge sehen wie folgt aus:
- BR 116 (1972-1980) – Cw-Wert von 0,41
- BR 126 (1979-1985) – Cw-Wert von 0,36
- BR 126 (1985-1991) – Cw-Wert von 0,349
- BR 140 (1991-1998) – Cw-Wert von 0,31
Anhand dieser Zahlen sieht man sofort die stete und kontinuierliche Verbesserung der Aerodynamik. Beeindruckend auch der Feinschliff innerhalb der Baureihe W126, leider wurde seinerzeit nicht wirklich hervorgehoben das die Modelle der MOPF (ab 09/1985) eine spürbare Verbesserung erfahren haben. Vermutlich weil im Vergleich zur kurz davor präsentierten Mittelklasse W124 mit nur 0,29 (Typ 200D) der Wert doch nicht so Besonders anmutete.
Zur Modellpflege der Baureihe 126 hatte man damals einige Maßnahmen durchgeführt die letztendlich die gewünschte Verbesserung brachten, obwohl breitere Reifen montiert wurden und auch mehr Kühlluftbedarf für die Motoren realisiert wurden – beides Umstände die den Luftwiderstand verschlechtern!
- länger heruntergezogene Front- und Heckstoßfänger, Schwellerverkleidungen
- Aerodynamisch bessere Radabdeckungen oder Leichtmetallscheibenräder
- Nahtabdichtungen oberhalb der Scheinwerfer (Motorhaube) und zwischen Karosserie und Stoßfänger vorne
- bündig verbaute Heckscheibe
Doch ich lasse an dieser Stelle einfach besser die Fotos sprechen, denn sie sind zu schön um sie euch vorzuenthalten. Gerne hätte ich noch etwas ausführlicher berichtet und ausgeholt, kann ich aber nicht in dem von mir bekannten Maße, da ich leider nicht selbst vor Ort sein konnte (durfte).
Bei der BR 116 stand bei der Gestaltung des Wagenkörpers mehr die Sicherheit und formale Zwecke im Vordergrund. Jedoch wurde auch erstmals über die Konditionssicherheit nachgedacht und so hat die erstmals offiziell als S-Klasse bezeichnete Oberklasse-Limousine Rückleuchten die verschmutzungsunempfindlich sind, Seitenscheiben und Heckscheibe werden vom Regenwasser nicht getroffen und bleiben fast nahezu trocken bei Schlechtwetterfahrten. Last but not least hat der Wagen auch parallel laufende Scheibenwischer, was ein Abheben der Wischer bei hohem Tempo unterband. Dennoch ist der Luftwiderstand mit 0,41 so schlecht nicht und weit entfernt von einer Schrankwand!
Bei unserer Baureihe 126 hingegen stand eine aerodynamische Gestaltung des Fahrzeugs schon im Lastenheft. Nicht zuletzt durch den C111 (das rollende Labor) wusste man wie man windschnittige Karosserien baute und wer genau hinschaut, der sieht ein bisschen die Abrisskante am Heck des C111 im Vergleich zum W126… oder um es noch deutlicher zu machen: das Abrissheck des 190ers (Baureihe 201), hier sieht man ganz deutlich die Einflüsse des C111-IV und V, jene silbernen Flundern und genau in diese Zeit gehört auch die Entwicklung bzw. der aerodynamische Feinschliff des W126.
Trotz des deutlich verbesserten Werts (s.o.) erfüllt auch die Baureihe 126 jene Tugenden der Baureihe 116 – Schmutzfreihaltung der Seitenscheiben und der Heckscheibe sind ebenso Standard wir die speziellen Rückleuchten. Eine Motorraum-Unterverkleidung sucht man jedoch vergebens, diese wurde erst mit den kleineren Baureihen 201 und 124 eingeführt. Heute muss man sich fragen warum, denn für andere Märkte gab es eine solche Verkleidung, wohl aber zur Schmutzfreihaltung des Motorraums.
Für die letzte hier näher betrachtete S-Klasse der Baureihe 140 standen erstmals schon umfangreichere computergestützte Entwicklungstools zur Verfügung. Zwar bei weitem nicht so wie man sie heute vielleicht kennt, aber immerhin! Bestes Resultat ist neben einem noch glattflächigeren Wagenkörpers auch der Einsatz von bündig eingefassten Seitenscheiben und noch flacheren Türgriffen. Der Unterboden sowie Teile der Hinterachse wurden schon recht großflächig verkleidet und dadurch immer strömungsgünstiger.
Dennoch muss man sagen dass aufgrund der massiv größeren Stirnfläche der eigentliche Strömungskoeffizient der Baureihe 140 nicht wirklich besser war als der bei der Baureihe 126 die doch deutlich schlanker und zierlicher dem Wind gegenüber trat.
Erst heute mit den moderneren Baureihen 220 und 221 ist die S-Klasse ein Leichtgewicht wenn es um Konfrontation mit dem Wind geht.
Schon interessant was alles für ein Aufwand auch in unseren alten S-Klasse Modellen steckt, oder? Mich beeindrucken ja noch heute die sauber bleibenden Seitenscheiben, die trockene Heckscheibe und vor allem die so wunderschön tanzenden Scheibenwischer der Windschutzscheibe… nur dafür lohnt es sich mit der BlechDiva auch mal durch einen Frühjahrs- oder Sommerregen zu fahren.
Fotos: ©fuenfkommasechs & Daimler AG