Das die neue S-Klasse von Mercedes wieder ein wahres Innovations-Feuerwerk entfachen würde, dürfte für jeden Mercedes-Fan von Anbeginn klar gewesen sein, für alle anderen sicherlich spätestens nach Lektüre der diversen Berichte zu diesem neuen Auto, u.a. bei uns!
Zum neuen Wunderfahrwerk Magic Body Control hatten wir vor einiger Zeit bereits einen Bericht veröffentlicht.
Seit mehr als 50 Jahren forscht Mercedes-Benz am besten Fahrwerk für seine Oberklasse-Modelle. Bereits im Jahr 1961 erschien der Typ 300SE (W112) mit einer tragenden Luftfederung, die den Fahrgästen zu einer Sänfte auf Rädern verhalf. Dies wurde noch gesteigert mit dem 1963 erstmals auf dem Genfer Automobil-Salon präsentierten 300SE lang, denn mehr Radstand bedeutet nicht nur verbesserter Geradeauslauf, sondern auch eine gleichzeitig verbesserte Federung bzw. deren Ansprechverhalten.
Selbst für den „Großen Mercedes“ Typ 600 (W100) nutzte man das Prinzip der Luftfederung und erweiterte es hier um hydraulisch und während der Fahrt verstellbare Stoßdämpfer (hart oder weich). Im Prinzip ein erstes aktives Fahrwerk, wenn auch manuell vom Fahrer zu bedienen.
Das erste hydropneumatische Fahrwerk wurde Ende 1972 bei Vorstellung der ersten offiziell so genannten S-Klasse, der Baureihe 116, erwähnt. Es sollte in einem neuen Super-Mercedes, dem Nachfolger des 300SEL 6.3 (W109) Anwendung finden und dem Patent >André Citroën< entsprechen.
1975 war es dann soweit und man präsentierte die schnellste Serienlimousine der Welt, den Typ 450SEL 6.9 (W116) mit sagenhaften 286 PS und hydropneumatischer Federung.
Hierbei wird das Gewicht der Karosserie sowie die Dämpfungs- und Niveauhalteaufgabe gänzlich durch den Öldruck des Federungssystems erreicht. Dadurch kann man eine relativ weiche (komfortabel) Grundfederung erreichen und dennoch hohe aktive Fahrsicherheit garantieren. Als Bonus kann der Fahrer das Niveau des Fahrzeugs für kurze Strecken bei verminderter Geschwindigkeit um ca. 30mm anheben.
Das Fahrwerk wurde auch im W126 verwendet, allerdings nicht mehr serienmässig und nur auf den Spitzentyp ausgerichtet, sondern man konnte es fortan als SA für sämtliche Lang-Limousinen mit V8-Motorisierung ordern.
Ab Mitte 1986 wurde die so genannte HPF III angeboten, die nun erstmals eine elektronische Steuerung der hydraulischen Federung beinhaltete. Mit Hilfe dieser Ergänzung konnte entweder vom Fahrer auf Knopfdruck oder im Gefahrerfall (z.B. plötzliches Ausweichen bei einem Hindernis) das Fahrwerk in Millisekunden auf eine deutlich härtere und somit sicherere Dämpfungslinie verstellt werden. Zudem senkte sich nun erstmals automatisch bei einer Geschwindigkeit von 120 Km/h der Fahrzeugaufbau ab und stabilisiert so einerseits den Geradeauslauf und reduziert nebenbei den Luftwiderstand.
Auf Basis dieses Fahrwerks testete Daimler-Benz mit Versuchsträgern auf Basis der Baureihe 126 bereits Ende der 1980er Jahre das erste Aktive Fahrwerk das in der Lage war sich Situationen blitzschnell der Situation anzupassen.
Wie lange die Forschung dann letztendlich noch wirklich dauerte kann man heute leicht aufzeigen, denn erstmals 1999 im großen Coupé CL500/CL600 BR 215 wurde die Aktive Body Control (ABC) verbaut und das sogar serienmässig.
Doch sollte es noch einmal deutlich über 10 Jahre dauern bis man in der Lage war – so wie jetzt der Fall – innerhalb von Millisekunden mittels ROAD SURFACE SCAN die Straße Dank der Stereokamera in 15 Meter vor der S-Klasse bis auf rund 1-2 mm genau zu erfassen und zu verarbeiten.
Die dabei auftretenden Datenströme müssen unglaublich sein und die erforderliche Rechenleistung ebenfalls – so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Rechenleistung im Vergleich zum Vorgängermodell der BR 221 mehr als verdoppelt wurde.
Dennoch ist Magic Body Control (MBC, SA-Code 487 und nur für die V8 sowie später V12 Modelle lieferbar) vorerst nur in der Lage bis ca. 130 Km/h und auch nur tagsüber bei guter Sicht das Fahrwerk an Hindernisse anzupassen. Dies sollte aber nicht weiter verwundern oder gar stören, denn bei höherer Geschwindigkeit ist gerade in einem Fahrzeug wie der S-Klasse generell eine bessere Dämpfung gegenüber Fahrbahnanregungen (wie der Ingenieur Schlaglöcher nennt) gegeben, das war schon zu Zeiten des W126 so.
Gesteuert bzw. vom Fahrer bedient werden kann ABC respektive MBC über den Bedienschalter in der Mittelkonsole. Es ist eine sportliche oder komfortable Grundlinie anwählbar, wobei mittels ABC ohnehin durchweg eine forcierte Fahrweise möglich ist ohne dafür Komfort-Einbußen in Kauf nehmen zu müssen. Einziger Vorteil der manuellen Sport-Schaltung ist ein Absenken der Karosserie um 10mm bereits im Stand.
MBC baut auf der ABC auf (dessen Grundfunktionen bestehen bleiben) und ist ein rein hydraulisches Fahrwerk das selbsttragend ist – mit einem Arbeitsdruck von bis zu 200 bar kann es blitzschnell in Millisekunden die Dämpfer auf Schlaglöcher o.ä. einstellen und in Form der MBC dies sogar bevor man ein Schlagloch erreicht hat. Sagenhaft!
Wie das funktioniert werden wir hoffentlich irgendwann in den kommenden Wochen selbst ausprobieren können und dann auch sicher noch etwas mehr Hintergrundberichte zu dieser beeindruckenden Ingenieurs-Leistung liefern können. Maßgeblich daran beteiligt war der ehemalige Daimler-Mitarbeiter und Forscher Prof. Bharat Balasubramanian.
Ein letztes ebenfalls äußerst spannendes Merkmal an MBC bzw. ABC in der neuen S-Klasse BR 222 – wird Seitenwind vom Fahrzeug erkannt, so wird automatisch eine aktive Seitenwindstabilisierung über gezielte Radlastveränderung durch eine Verstellung der ABC-Dämpfer erreicht.
Übrigens: serienmässig rollt die neuen S-Klasse auf der selbsttragenden und weiter überarbeiteten Luftfederung AIRMATIC und wird durch das neue Adaptive Dämpfungs-System ADS PLUS ergänzt.
Fotos: ©fuenfkommasechs & Daimler AG