Gestern war es dann mal wieder soweit – ein schnelles Meeting wurde anberaumt – an unbekanntem Orte mit geradezu idealer Anfahrt.

Es gab mehrere triftige Gründe dafür: zum einen war da das neue Familienmitglied der 5,6-Horde und zum anderen wieder einmal „Neuteileweitwurf à la Dreikommanull„.

Es kommt auf dem Foto bei Weitem nicht so rüber wie es der Realität entspricht – der W116 (in diesem Fall eigentlich V116)  ist satte 5 Zentimeter breiter als der W126. Dabei ist aber wiederum der SE der 2.Serie des W126 nur 4 Zentimeter kürzer als der SEL des W116 – das Schlachtschiff ist also schnell ausgemacht!

Um dessen Kommandozentrale zu entern muss man aber zunächst einmal den Wagenverschlag öffnen (können). Wer die Türen des W126 als „Tresortüren“ bezeichnet, der hat noch nie die Türe eines W116 zu Gesicht bekommen – hier kommt diese Bezeichnung nämlich in Wahrheit her.

Was sofort ins Auge springt ist der thekenartige obere Bereich der Türverkleidung auf der ein handelsübliches Pils-Glas bequem abgestellt werden kann. Zudem verdient der Fensterrahmen bzw. Türrahmen diese Bezeichnung noch!

Nachdem man nun den rollenden Tresor geöffnet hat muss man erst einmal den etwa doppelt so breiten Seitenschweller überwinden und sich doch gefühlt etwas kleiner machen, denn die Einstiegshöhe scheint flacher zu sein als im W126.

Das Cockpit verdient hier diesen Begriff zurecht – man sitzt deutlich kompakter, gedrungener und wohnzimmerartiger hinter dem riesigen Volant.

Ein Schlüsseldreh – die Welt verstummt, kein Vogel zwitschert mehr, keine Fliege summt, die Atmung setzt aus… dann, die Erde scheint zu wackeln, es poltert, grummelt und die 8 Töpfe mit ihren zusammen 6.834cm³ Hubraum beginnen zu leben. Fast ist es so als hätte man einen dieser Gas-Guzzler, ein amerikanisches Muscle-Car erweckt, einfach toll!

Wir nehmen 116.036 auch gleich mit auf eine kleine Testfahrt – was auffällt ist (wie oben schon kurz angeschnitten), dass man als Fahrer eingepackter sitzt. Die Sitze sind flacher und noch sofaartiger als im W126, das Armaturenbrett ist weniger tief und dennoch voluminöser, die Haube ist kürzer, die Windschutzscheibe näher. Kurzum, man merkt dass der W116 eben gute 8 Jahre vom W126 entfernt entwickelt wurde. Heute denkt man bei seinem Anblick eher an die legendären Sicherheits-Forschungsfahrzeuge der frühen 1970er Jahre.

Aber das alles hat seinen ganz besonderen Reiz – der W116 ist der erste Mercedes der Neuzeit, er wurde erstmals mittels IBM Großrechnern, mit Magnetbändern und Lochkarten berechnet und entwickelt. Seine Karosseriestruktur wurde mit ESEM (Elasto-Statik-Elemente-Methode) be- und errechnet, ein sehr früher Vorläufer der seit Anfang der 1980er Jahre genutzten CAD-Methode. Alles was wir heute von Mercedes-PKWs so schätzen hat mehr oder weniger seinen Ursprung im W116.

Fahr- und Antriebsgeräusche sind beim W116 vorhanden und einfach Stand der Technik – so leise wie im W126 geht es nicht von statten. Und man vermag gar nicht darüber nachzudenken wie es denn wohl 1975 in einem Volkswagen Passat I oder Opel Rekord gewesen sein muss – der Unterschied zu heute muss geradezu gewaltig anmuten.

Doch wegen dem SechsNeuner alleine waren der Dreiliterwagen und ich gar nicht in die tiefe Eifel gefahren, es gab noch einen viel wichtiger Grund: Quietschgeräusche der vorderen Bremse. Nein nicht das bekannte Quietschen von verdreckten und schlecht montieren Bremsbelägen, in meinem Fall war nach 23 Jahren einfach ein Wärmeschutzblech eines Bremskolbens abgefallen… da eine Überholung nur dann lohnt wenn man a) weiss was man macht und b) auch die nötigen Sonderwerkzeuge besitzt, kam dies natürlich für mich nicht in Frage – denn ich weiss nie was ich mache… ;)
Eine kurze Internetrecherche später hatte ich meine Bestellung schon abgesetzt – eine halbe Woche später trafen die neuen Entschleuniger (danke Willi) bereits bei mir ein:

Also, Wagen auf die Bühne, Vorderräder demontiert und „gib ihm„…

Schöne neue Bendix (ATE-System) Bremssättel – Neupreis bei Mercedes liegt bei gut 700 EURO (das Stück!), ein wenig verrückt…

Dank der fachmännischen Hilfe von Gerold „Sechskommaneun“ Saxler war das alles kein Hexenwerk. Den Wechsel der Bremssättel hätte ich zwar auch selbst hinbekommen, doch man muss danach ja auch das Bremssystem entlüften – bzw. gleich die Flüssigkeit wechseln, wenn man schon mal dabei ist. Da ich auf die „Pump-Methode“ nicht wirklich gut zu sprechen bin, kam natürlich nur der Einsatz eines Profigeräts in Frage, toll wenn man auf so etwas Zugriff hat – an dieser Stelle auch noch einmal ein großes Dankeschön an den Herrn Werkstattbesitzer!

Um nun wieder die Kurve zum W116 zu schlagen – die Vorderachse des W116 und W126 ist sehr nahe miteinander verwandt. Zunächst erprobt im rollenden Labor C111 (1969) um dann im W126 mit ihren weiter entkoppelten Fahrmomenten zu trumpfen. Ein filigranes Wunderwerk der Technik – fast könnte man sagen der W126 hat eine komfortbetonte Formelrennwagen Vorderachse spendiert bekommen – und genauso fährt sich auch eine zu 100% erneuerte Vorderachse, es ist erstaunlich was 1985 respektive 1979 auf die Straßen dieser Welt gelassen wurde – ich gönne es jedem einmal in den Genuss einer neuen Vorderachse an seinem W126 zu kommen – der Aufwand, monetär wie auch körperlich ist es allemal wert!

Manch einer wird sich jetzt vielleicht noch fragen wie ich in die Eifel gekommen bin!? Ganz einfach, als moderner Mensch verfügt man natürlich über ein Smartphone und kann so seinen W126 ganz schnell mit einem Comand 2.0 ausstatten und das Beste an der ganzen Sache: vollkommen ohne hässlichen Saugnapf an der Frontscheibe, denn das ist wirklich nicht Standesgemäß in einer S-Klasse.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de

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