In den letzten Jahren ist vermehrt die Sicherheit von Automobilen aus dem Fokus der Autofahrer gerückt – derzeit wird lieber über CO2 und Abgasnormen diskutiert als um die wirklich wichtigen Dinge, es hat fast den Anschein als gäbe es nichts Anderes mehr.
Doch halt, da war doch etwas? Genau die vor einigen Jahren ins Leben gerufene Euro-NCAP Crashtestserie in der alle Fahrzeuge mit einem Sterne-Ranking versehen werden, eben je nach dem wie gut oder schlecht sie in den einzelnen Crashtestdisziplinen abgeschnitten haben. Nur die Sache hat einen Haken, es gibt nun nicht gerade wenige Automobilhersteller die ihre Fahrzeuge genau auf diese Versuchskonstellationen hin (die immer reproduzierbar sein müssen, das ist deren Sinn) ausrichten und so konstruieren dass man das maximal mögliche Sterne-Ergebnis einfährt.
©EuroNCAPLeider nur hat das in so einem Fall nicht mehr wirklich viel mit „Real-Life-Safety„, der Sicherheit der Fahrzeuginsassen unter realen Unfallkonstellationen zu tun – überprüfbare Sicherheit ist das Eine, aber wirklich an sämtliche Eventualitäten gedacht zu haben das Andere. Dürfte es nicht geben sagt Ihr jetzt? Nur wer soll es denn überprüfen? Im Grunde sind es ja auch bloß Vermutungen, aber man kann sehr gut nachweisen das ein Hersteller auf diesem Gebiet einen deutlich ausgeprägteren Erfahrungshorizont besitzt. Ob man in einem wirklich gut konstruierten Fahrzeug sitzt oder nicht, das merkt man im Zweifel eben immer erst wenn es bereits zu spät ist. Denn dann kommt es auf viele kleine Details an und nicht ob man schön mit 64 Km/h gegen eine Aluminium-Waben-Barriere fahren kann!
Natürlich soll es jetzt hier nicht nur um die E-Klasse Baureihe 211 gehen, aber exemplarisch müssen die beiden Fotos herhalten, da ich gleich am Beispiel eines 2007ers E350 T-Modell auf das Thema Unfallsicherheit eingehen möchte.
Der Wagen war mit ca. 80-85 Km/h auf einer Landstraße unterwegs, der Straßenbelag war trocken und die Sicht war sehr gut. Allerdings wohl nicht so perfekt für die Fahrerin eines Ford KA (älteres Modell), welcher urplötzlich von links in die Bundesstraße und somit direkt vor die Haube des herannahenden Mercedes fuhr. Der Fahrer des Mercedes konnte nur noch eine Vollbremsung einleiten und instinktiv etwas nach rechts lenken. Die Aufprallgeschwindigkeit betrug schätzungsweise um 60-70 Km/h, bedeutet das sich beide Fahrzeuge diese Relativgeschwindigkeit aufteilten, denn da der Ford KA quer vor die Haube des Mercedes fuhr, war er praktisch ein stehendes Hindernis.
Innerhalb von wenigen Millisekunden überprüfte das Airbag-Steuergerät (ARMADA genannt) sämtliche Parameter wie z.B. Aufprallgeschwindigkeit, Aufbau-Beschleunigung, Aufprallwinkel und ob der Fahrer alleine reiste oder mit weiteren Insassen an Bord unterwegs war. Weitere wenige Millisekunden später straffte der PRE-SAFE Gurtstraffer den oberen Bereich des Sicherheitsgurtes, zur weiteren Unterstützung hat die Baureihe 211 einen Gurtschlossstrammer an Bord. Da der Aufprall nicht so extrem hart verlief (dem Unfallgegner sei Dank) wurde lediglich die erste, sanftere Stufe des DUAL STAGE Airbags gezündet. Diese reicht bei geringeren Geschwindigkeiten aus, da der Fahrer auch durch die Gurtstraffenden Maßnahmen sehr gut auf dem Sitz fixiert wurde. Im Anschluß an diese lebensrettenden Maßnahmen schaltete der Mercedes noch selbsttätig die Warnblinkanlage und das Innenlicht ein und entriegelte das Fahrzeug. Doch Bilder sagen mehr als alle Worte.
Manche werden jetzt sagen, dass das ja alles recht harmlos verlaufen ist – womit sie recht haben! Aber warum ist es so verlaufen? Weil Mercedes-Benz seit Jahrzehnten immer vorausdenkt und seit 1969 aktiv Unfallforschung am realen Straßenverkehr betreibt. Genauer gesagt seit dem 29.April 1969, damals verfügt das Innenministerium von Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen III 5304/126, dass die Polizeidienststellen den Autohersteller künftig telefonisch über Verkehrsunfälle informieren an denen Mercedes beteiligt sind, dass Vertreter des Unternehmens die Unfallakten einsehen und die zuständigen Polizisten zum Unfallhergang befragen dürfen. Begründung: „Das Innenministerium unterstützt die werkseigenen Forschungsarbeiten der Daimler-Benz AG, da sie von allgemeiner Bedeutung für die Verkehrssicherheit sind.“
Dadurch wurden neue Erkenntnisse gewonnen die nach und nach die Mercedes-Fahrzeuge verbesserten. So war einer der ersten Punkte der Daimler-Ingenieure die Gestaltung des Innenraums mit nachgiebigen Materialien und der Neugestaltung von Schaltern, Griffen und Hebeln. Der gepolsterte Schalt- oder Wählhebel und der Pralltopf im Lenkrad sind hier plakativ zu nennen.
Aber es wurden auch neue Testverfahren erdacht – man erlangte z.B. die Erkenntnis dass eine der häufigsten Kollisionsarten der seitlich versetzte Frontalaufprall ist. Heute auch als Offset-Crash bekannt und bei Daimler-Benz weltweit erstmals im Jahre 1973 getestet. Seit 1978 gehört dieser Crashtestversuch – verankert im Lastenheft – zu jeder Neuentwicklung im Hause. Unten ein /8 in der harten Bewährungsprobe..
Seit Anfang der 1990er Jahre ist dieser Crashversuch auch weltweit bekannt – nicht zuletzt Dank der Zeitschrift Auto Motor und Sport die 1990 eine beispiellose Crashtestreihe initiierte, lange bevor dieser Versuch Vorschrift wurde (der EuroNCAP Versuch ist heute Vorschrift um eine Zulassung innerhalb der EU zu erlangen!).
Mercedes führt aber auch so genannte Car-to-Car Crashversuche durch um den Offsetcrash noch realistischer untersuchen zu können. Auch im Hinblick auf gewisse Massenunterschiede der kollidierenden Fahrzeuge. Hier im Bild: A-Klasse gegen S-Klasse.
Der weltweite erste Serienwagen der auf den Offsetcrash hin ausgelegt und konsequent konstruiert wurde, war natürlich der W126. Eben auf Grund der Erfahrungen die man in der Unfallforschung erlangt hatte.
Mehr hierzu findet man auch in den Innovationen: Offset-Crash
Und am Ende eines Unfalles der sich leider nicht vermeiden ließ, hat man lieber statt 5-Sterne im NCAP-Crash, einen solchen auf der Motorhaube!
Euch allzeit gute und unfallfreie Fahrt!
Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG