Der Titel sagt eigentlich bereits alles, S-Klasse einmal anders – jedenfalls anders als man sie heute kennt, denn meist sind es wohlbehütete Klassiker, die Modelle der Baureihen 116 und 126. Nur wenige werden heute noch dauerhaft den Strapazen eines daily drivers bei Wind und Wetter ausgesetzt.
Und nicht das wir uns hier missverstehen, diese Fahrzeuge könn(t)en das locker, also auch heute noch durch den Alltagsverkehr flanieren und daran aktiv teilnehmen, es geht hier vielmehr darum, dass sie es nicht mehr nötig haben!
Eine Oberklasse-Limousine im Alter zwischen 25-35 Jahren ist etwas anderes, sie muss sich keine Ampel-Duelle liefern oder mit 5-Meter-Abstand auf der linken Spur irgendwelchen Leasing-AutoUnion-Fahrzeugen Angst einjagen, auch die wilde Hatz über kurvenreiche Landstraßen gehört nicht mehr so ganz in das Terrain einer solchen Luxusyacht. Letzteres gehörte übrigens nie zu den Paradedisziplinen einer S-Klasse!
Sicher?
Spätestens bei unserem ersten eigenen Dreh im letzten Spätsommer auf der ehemaligen Teststrecke „Friedrichsruhe“ haben wir gemerkt wie viel Reserven und Elan in den Fahrwerken dieser alten Schiffe verborgen liegt. Sicherlich, direkt ist so eine Lenkung im W126 nie und die Seitenneigung (auch beim HPF-Wagen!) ist jenseits von gut und böse – verglichen mit modernen Fahrzeugen – aber dennoch kann man mit diesen großen Fahrzeugen manche Spitzkehre mit einer gefühlten Lässigkeit nehmen das es eine wahre Freude beim Connaisseur hinter dem Volant hervor ruft.
Warum ich dies alles erzähle? Nun, es gab vor ca. zwei Wochen eine schöne Veranstaltung von Daimler Classic zu der man uns nicht einladen wollte (alte S-Klasse Modelle sind ja nicht so unser Betätigungsfeld, wie Ihr wisst!).
Eigentlich Grund genug nicht einmal mit der Wimper zu zucken wenn es um dieses Thema geht – da steht man einfach drüber werdet Ihr jetzt sagen. Und zu Recht! Denn wer sich seine eigene Presse-Fahrveranstaltung basteln kann (Stichwort: Friedrichsruhe), der ist auf Hilfe von Oben ohnehin nicht angewiesen.
Warum es jetzt heute doch ein Thema bei uns ist? Weil die Fotos leider doch toll und ein Stück weit auch beeindruckend sind. Wann sieht man schon einmal so schöne S-Klasse Modelle in Schräglage? Zudem sind die Fotos auf vatikanischem Boden in Untertürkheim entstanden: genauer gesagt, der Daimler-Benz Einfahrbahn!
Man könnte mich Nachts um halb drei anrufen und ich wäre in Windeseile zur Stelle wenn es um die Einfahrbahn ginge, denn genau wie Jay Leno so träumte auch ich schon als kleiner Junge davon sie befahren zu dürfen und würde auch nicht davor zurückschrecken den Boden dort zu küssen – ähnlich wie es ein Papst früher auch immer machte wenn er heiligen Boden betrat…
Doch wieder zurück auf die Einfahrbahn – da wir ja nicht vor Ort waren, können wir heute nur erraten um was es dort wirklich ging. Die Vermutung liegt nahe, dass man anhand von W116, W126 & W220 zeigen wollte welche Entwicklung und Fortschritte die S-Klasse im Laufe der Jahrzehnte in Sachen Fahrwerk und eben aktiver Sicherheit gemacht hat – dies deuten jedenfalls die Fotos an.
Neben der Fahrdynamik wurde auch das ABS der zweiten Generation (erstmals erhältlich im W116 ab 1978) im Vergleich zweier 450SEL 6.9 demonstriert. Sehr gerne hätte ich euch ein kleines Video der Präsentation auf heiligem Boden präsentiert, aber das gibt es nicht, da wir es nicht erstellen konnten – ein großes Sorry von uns an dieser Stelle! Also lassen wir wenigstens die Fotos sprechen:
Wie man deutlich erkennen kann, verfügt der silberblaue SechsNeuner nicht über das optionale ABS und kann deshalb einem Hindernis nicht bremsend ausweichen, schon gar nicht bei simulierter Regenfahrt. Wo es hingegen für den silbernen SechsNeuner kein allzu großes Problem darstellt.
Wer mehr über ABS erfahren möchte, der kann dies hier tun – wir berichteten schon mehrfach über diese geniale Erfindung die mehr als 10 Jahre Entwicklungszeit verschlang.
Allerdings hat die ganze Sache hier einen gewaltigen Wehrmutstropfen – der anthrazithgraue 560SEL ist nicht irgendein Fahrzeug welches Daimler Classic für solche journalistischen Veranstaltungen vorhält (wie z.B. die beiden SechsNeuner), nein!
Vielmehr handelt es sich hierbei um den letzten jemals in Serie gefertigten W126 überhaupt!
Mercedes-Benz ist dafür bekannt seit nunmehr gut 40 Jahren immer die letzten Exemplare einer Baureihe feierlich an das Mercedes Museum bzw. die Sammlung dort zu übergeben. Aus dem simplen Grund, damit der Zustand dieser Fahrzeuge konserviert und so auch noch nach Jahrzehnten erlebbar ist.
Sehr gut kann man das Phänomen der Bandabgänger im Mercedes Museum erkennen, z.B beim 300SD der BR 116, 1980 das letzte vom Band gerollte Exemplar der namentlich ersten S-Klasse Generation (legt euch einmal drunter, eure Augen werden ganz groß werden – garantiert!). Oder die 123er Modelle, Limousine, Coupé (auf dem Auto-Transporter) und das T-Modell, alles samt solche einmaligen Bandabgänger und in einem atemberaubendem Zustand. Benchmark für jeden Restaurateur oder Alt-Mercedes-Freund.
Ja und diese Einmaligkeit, diese Jungfräulichkeit ist dem anthrazitgrauen 560SEL unwiederbringlich genommen worden! Nicht erst beim Event vergangene Woche, sondern schon Jahre zuvor – um nur ein Beispiel aufzuzählen – als er auf vermatschten Herbststraßen für einen sinnfreien Vergleich zwischen alten und neuen Oberklassefahrzeugen herhalten musste.
Die Crux an der Geschichte ist, dass wir versucht hatten mit diesem Wagen (und dem letzten produzierten Coupé der Baureihe 126) eine schöne Foto-Story für euch auf die Beine zu stellen. Jedoch wurde dies abgewiegelt mit den Worten: „..die müssen geschont werden..„. Schon irgendwo verrückt, oder?
Wer dennoch etwas mehr über die nun verblasste Besonderheit dieses Bandabgängers erfahren möchte, der kann dies hier tun.
Und bitte versteht uns an dieser Stelle nicht falsch – wir haben nichts gegen eine Artgerechte Benutzung von Mercedes Klassikern – wie wir ja in Friedrichsruhe mit unseren eigenen Wagen unter Beweis gestellt haben, aber es gibt eben Ausnahmen und hierzu zählen ohne Frage sämtliche Bandabgänger!
Fotos: ©Daimler AG