Der Vater der neuen S-Klasse W222 im Exklusiv-Interview (VIDEO)

Eine neue S-Klasse ist ein Jahrhundertereignis, nur häufiger – so der allgemeine Tenor der während der Weltpremiere im Auslieferungszentrum des Airbus A380 in Hamburg am 15.Mai herrschte. (hierzu muss man jedoch anmerken, dass dieses Statement ursprünglich aus der Feder eines FAZ-Journalisten entstammt)
Und noch mehr, vom Besten Automobil der Welt war die Rede – es wurden keinerlei Anstalten gemacht dieses Statement in irgendeiner Art und Weise zu verstecken, ganz im Gegenteil!

Starke Worte gepaart mit einem starken Auftritt – mittlerweile ist die Weltpremiere schon wieder Geschichte und wir haben sowohl die Vorab-Pressemappe wie auch unser eigenes, während des Premierenabends produzierte Material gesichtet und das ein oder interessante zu Tage gefördert.

 

Wir haben die Chance an diesem Abend genutzt und niemand geringeren als den Vater der neuen S-Klasse Baureihe 222 vor die Linse bekommen.
Herr Dr. Storp ist Baureihenleiter der S-Klasse und somit bestens im Bilde was die Entwicklung dieses Modells anbelangt. Herausgekommen ist ein sehr interessantes Gespräch mit spannenden Einblicken in die Entwicklung und Konstruktion des Fahrzeugs bzw. auch dessen Ablauf.

Oben ein Standbild aus dem ersten Video zur neuen S-Klasse, das im vergangenen Herbst von Mercedes veröffentlich wurde.
Bereits dort war die Schwärmerei des Baureihenleiters sehr gut zu verspüren, man merkte den Stolz auf das neue, herausragende Produkt. Doch musste man erst einmal mit diesen Eindrücken vorlieb nehmen, da man zu diesem Zeitpunkt den Wagen allenfalls von den bekannten Erlkönigfotos her kannte, oder ein paar kleinere Bauteile die im Rahmen des Tec-Days präsentiert wurden. Wir berichteten.

Das Interview

Für mich (Dreikommanull) als seit über 30 Jahren eingefleischten Mercedes-Fan ist es ein wahrer Genuss mit solchen Persönlichkeiten wie Herrn Dr. Storp sprechen und sich austauschen zu können.
Ich finde man merkt sofort, dass dieser Mann nicht nur Feuer & Flamme für seinen Beruf, sondern auch für das Produkt das er mitentwickelt hat, empfindet und diese auch auf ganz einfache Art transportieren kann.
Denn gerade einem Ingenieur attestiert man ja gerne mal im Volksmund fehlende Emotionalität – was hiermit auf pragmatische Weise als widerlegt angesehen werden kann!
Vielen Dank noch einmal an dieser Stelle für das nette und interessante Gespräch!

Unten noch ein exklusiver Blick auf die Fibel des Produktmanagements, sollte es einmal eine Kennzahl oder ein Detail geben das man gerade nicht mehr so genau im Kopf hat, so kann man hier nachschlagen und weiß auf nahezu alles eine Antwort.

Die Karosserie der BR 222

Die interessantesten Veränderungen der S-Klasse im Bezug auf ihre Entwicklung sind definitiv im Bereich des Blechs und des Fahrwerks zu suchen. Hierbei muss man allerdings bewusst einmal auf die Fülle der neuen tollen Komfort- und Sicherheits-Sonderausstattungen verzichten. Sie stehen ohnehin nur für eine Ergänzung der Grundkonstruktion, der wir uns an anderer Stelle noch in aller Ausführlichkeit widmen werden!
Schaut man der Baureihe 222 unters Blech, so sieht man viele völlig neue Konstruktionswege im Bau der Karosserie. Vergleichbar mit dem historisch fast als dramatisch zu bezeichnenden Konstruktion der 1979 präsentierten S-Klasse W126.

Bei der BR 222 hat man die Torsions(Verwindungs)steifigkeit um 50 Prozent verbessert, im Vergleich zum Vorgänger. Trotz verbesserter Strukturversteifungen, mehr Crashsicherheit und besserem Vibrations- und Geräuschverhalten konnte die Karosserie deutlich erleichtert werden. Der gesamte Vorbau besteht aus einer Aluminium-Konstruktion, sowie erstmals auch das Dach der S-Klasse (hierdurch ergeben sich spürbare Verbesserungen in der Schwerpunktlage des Fahrzeugs).
Weiter wurde wie schon bei der Vorgängerbaureihe Aluminium bei der Motorhaube, dem Heckdeckel und den Kotflügeln verwendet. Insgesamt wurde unterm Strich ein Leichtbaupotential der Rohkarosserie von 50 Kilogramm erzielt – was sich nach wenig anhört ist in Wirklichkeit extrem viel, denn die Fahrzeuge erhalten von Generation zu Generation mehr passive Sicherheit, besseres Schwingungsverhalten, weniger Vibration und spürbar gesteigerte Verwindungssteifigkeit (nennt sich heutzutage NVH: Noise, Vibration and Harshness) – dies alles zu realisieren ohne einen Abstrich machen zu müssen ist die Kunst, die Kür dabei ist, die Gewichtsspirale nach unten laufen zu lassen.


Es ist wirklich beeindruckend wenn man sich die Fotos der Crashversuche oben einmal anschaut – über die Jahrzehnte (seit dem W126) hat sich so unglaublich viel getan, dass ein moderner Wagen nicht nur kompatibel (Kleinwagen-freundlich) sondern dennoch insgesamt steifer im Bereich der Fahrgastzelle geworden ist.

Natürlich kann man auch keine 35 Jahre alte Konstruktion mit einem ganz neu präsentierten Konzept vergleichen, aber man kann und sollte durchaus einmal, dem was in der Zwischenzeit erreicht wurde, ein wenig Beachtung schenken.

Die Grundabmessungen der BR 222 entsprechen der des Vorgängers BR 221, dies mag vielleicht verwundern, hat aber den simplen Grund: man konnte nicht viel verbessern, die Maße des Innenraums sind mehr als ausreichend bei der S-Klasse und konnten sogar spürbar verbessert werden (wenn dies auf dem Papier auch nicht wirklich den Eindruck hat).
Der geringe Längenzuwachs von 20mm im Bereich des hinteren Überhangs (Radstand blieb identisch!), resultiert alleinig daraus das man nun einen einheitlichen Stoßfänger für die ECE und US-Fahrzeuge verbaut. Man kommt also hierzulande nun auch in den Genuss des besseren Stoßfängersystems das bisher immer nur in den USA optisch unmerklich verbaut wurde.

Wir finden es gut, dass man nicht immer nur Größer und Größer wird, wie so mancher Mitbewerber im Segment. Die Kunst ist ja gerade die Verkehrsfläche nicht weiter ansteigen zu lassen und dennoch mehr Raum für die Passagiere zu generieren. Intelligentes Package nennt das der Konstrukteur.
Der geringere Luftwiderstand und die Innenstädte der Metropolen dieser Welt danken es!

Alles in Allem kann man natürlich wie immer trefflich darüber philosophieren und auch streiten ob denn die neue S-Klasse noch ein echter Mercedes ist. Dies war schon zur IAA im September 1979 so, denn damals waren Teile der Alt-Herren Kundschaft von Daimler-Benz angesichts der neuen, im Windkanal optimierten S-Klasse W126, geradezu schockiert und erzürnt. Wer sollte einen Mercedes kaufen mit so einem dicken und unförmigen Heck, dazu noch fast völlig ohne Chromzierrat und auch die neumodischen Kunststoffstoßfänger stiessen auf breite Kritik.
Alles also kein neues Phänomen, sondern Teil des oben zitierten Jahrhundertereignisses!

Fakt jedenfalls ist, dass die neue S-Klasse wohl wirklich als letzte S-Klasse nach klassischen Gesichtspunkten kelten dürfte. Die Nachfolgebaureihe die vermutlich auf das Kürzel >223< hören wird, dürfte im Lastenheft der Konstruktion deutlich mehr im Fokus stehend die neuartigen Antriebe mittels nicht fossiler Energieträger haben als es hier beim neuen Modell der Fall war. Doch das wird man erst im Laufe der Zeit sehen.

Hier und heute freuen wir uns auf die neue S-Klasse von Mercedes, die wahre Königin der Straße – oder wie es ein netter Kollege des Daimler-Blog kürzlich formulierte: Germany’s best Topmodel.

Mitte Juni ist Produktionsbeginn im Werk Sindelfingen, wir werden vom Job #1 ausführlich berichten und ab Samstag den 20. Juli kann das Prachtexemplar bei jedem Mercedes-Händler bewundert werden.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG 

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