Aus gegebenem Anlass habe ich mich einmal etwas näher mit dem Thema „Einfahren von Neuwagen“ beschäftigt. Warum das, fragt man sich jetzt?
Nun, wer aufmerksam fünfkommasechs verfolgt hat, der weiß genau, dass ich mich bereits von meinem bisherigen Alltagswagen – dem treuen Elch – verabschiedet habe.
Es war Zeit reif für einen Wechsel – was genau es geworden ist, bzw. was ich in weniger als 14 Tagen in Empfang nehmen darf, wird noch an gesonderter Stelle näher beleuchtet werden, seid gespannt!
Hier soll es heute darum gehen Licht auf das Thema zur korrekten Behandlung eines neuen Wagens zu werfen, bzw. zu weilen kann dieses Verhalten auch bei anderen neuen Komponenten in einem älteren Fahrzeug nicht schaden. (hier wären z.B., überholter Motor, neues Getriebe, neue Bremsanlage oder neues Fahrwerk zu nennen)
Die Neuwagenabholung
Im Grunde gibt es zwei Lager von „Motor Einfahrern“, das eine Lager fährt ihn nach der Übernahme in der Fabrik oder beim Händler lediglich schonend warm (ca. 20 Kilometer) und gibt ihm dann 80-90% Last per Fahrpedal (außerhalb der Daimlerwelt auch bloss Gaspedal genannt).
Das andere Lager hält sich strickt an die Vorgaben in der Bedienungsanleitung und schont den Motor die ersten 1.500-2.500 Kilometer und fährt ihn dann in einer „Hau-Ruck-Aktion“ am Stück ein.
Was ist nun richtig? Was ist falsch?
Die Meinungen differieren an dieser Stelle ganz deutlich. Deshalb schauen wir uns einmal beide Wege an wie man einen neuen Wagen einfahren könnte.
Die kurz-und-schmerzlos-Methode
Man fährt den Wagen ausreichend warm (ca. 20 Kilometer) und scheucht den Motor dann mit ca. 80-90% Gaspedalstellung durch die Drehzahlbereiche. Das bedeutet aber nicht Last aus dem Drehzahlkeller, sondern durchaus höhere Drehzahlen (aber immer noch deutlich entfernt von der Abregeldrehzahl).
Bei dieser Art wird nach einer Phase der starken Beschleunigung dann eine etwa gleichlange Strecke (eingekuppelt!) der Motor im Schubbetrieb belassen. Hierdurch wird genug Öl an den Zylinderwänden hochgezogen und kann die abgeschliffenen Metallpartikel der vorangegangenen kleinen Orgie wieder abschleifen. Die so genannte Tribologie kann sich so am besten entfalten – wer hierzu mehr wissen möchte muss allerdings ebenfalls dieses Wissen ergooglen, es würde hier zu weit führen es an dieser Stelle näher zu erklären.
Entscheidend ist, dass die Kolbenringe und die Zylinderlaufbahn so wenig raue Stellen wie möglich aufweisen, aber dennoch die Hohnspuren erhalten bleiben und sich nicht mit einem feinen Metallpartikelschlamm zusetzen.
Ein Motor nach dieser härteren Tour wäre quasi nach nur ca. 100-150 Kilometern so weit eingefahren, das man ihn danach dennoch weiterhin nicht auf Maximaldrehzahl bringt und bis gut 1.000 Kilometer schärfer bewegt bevor man ihm dann seine wirkliche Leistungsgrenze zeigt.
Klingt hart? Ist es wohl auch, trotzdem gibt es genug Fürsprecher für diese Methode!
run-in-softly-Methode
Die klassische Variante hingegen sagt heute eigentlich nur aus, dass man den Motor die ersten 1.500 Kilometer schonen soll und nicht mehr als 2/3 seiner Leitung abrufen möge. Man hierbei die Drehzahlbereiche häufig wechseln sollte und monotones in einem Drehzahlband dahin rollen zu vermeiden hat. Kein zurückschalten zum Bremsen versteht sich von selbst.
So einfach? Ja, so einfach. Es gibt keine Ganggeschwindigkeiten mehr wie noch in den 1950er und 1960er Jahren. bzw. man kann sich diese selbst herleiten wenn man schaut welche Drehzahl den 2/3 der Maximaldrehzahl bedeuten würde.
Im Grunde kann man mit dieser Methode den Wagen auch schon sehr sportlich bewegen – wenn es denn sein muss.
Was genau sollte man denn nun beherzen? Was ist richtig und wichtig?
Grundsätzlich kann man sagen, es ist nicht verkehrt was in der Bedienungsanleitung des eigenen Fahrzeugs steht!
Was im Falle eines neuen Mercedes dort geschrieben steht sieht man oben im Foto.
Ich für meinen Teil werde den Wagen gründlich warm fahren und dann auf der Autobahn beherzt aber nicht zu stark einige Kilometer zügiger fahren und immer wieder längere Etappen mit Schubbetrieb einhalten. Wechselnde Drehzahlen sind wichtig – deshalb wäre wohl das ideale Terrain um einen neuen Wagen einzufahren eine stete, kurvige und leicht hügelige Strecke – doch diese wird man um die Hansestadt Bremen (denn dorthin wird meine Reise gehen) nicht so leicht auffindbar geben. Deswegen wird es vermutlich eine Landstraßenetappe geben und erst nach 150 Kilometer wieder gewöhnlich über die Autobahn gehen – bekanntermaßen ist der Weg das Ziel und ich werde mich in jedem Fall an die gut 1.500 Kilometer Einfahrphase halten.
Dies ist in mehrfacher Hinsicht sinnvoll, denn nicht nur der Motor, das Getriebe und alle anderen Teile des Antriebsstrangs sind nagelneu und müssen sich erst einarbeiten, auch die Bremsanlage, die Federung und zu guter letzt auch die neuen Reifen haben erst nach einer gewissen Einfahrzeit ihre endgültige Performance erreicht.
Reifen und die Bremsanlage müssen erst vorsichtig eingefahren bzw. eingebremst werden und greifen dann erst richtig nach ca. 300 Kilometern.
Neue Stoßdämpfer müssen sich auch erst setzen und „einfedern“. Das kann man z.B. auch mittels einiger ausgedehnter Fahrten über klassische Kopfsteinpflasterstraßen erreichen oder man gibt ihnen auch einfach ein wenig Zeit. Anfänglich können die Dämpfer noch etwas hart und bockig auf Fahrbahnanregungen reagieren.
Was heute völlig aus der Mode gekommen ist, bzw. schon seit gut 20 Jahren nicht mehr vorgeschrieben bzw. durchgeführt wird, ist der erste Ölwechsel nach dieser Einlaufzeit des Motors.
Dieser Zeitpunkt war in der Regel bei ca. 1.500 Kilometer vorgesehen und ich werde bei meinem Wagen nach ca. 2.500-3.000 Kilometern einen solchen „Zwischenölwechsel“ durchführen lassen, allerdings ohne den Wartungsrechner bzw. die Assystanzeige zurücksetzen zu lassen. Aber Öl und Filter kommt neu, dann habe ich einfach ein weitaus besseres Gefühl das Gebräu dort 25.000 Kilometer zu belassen.
So ein neues Auto ist eben eine Art Haustier aus Metall…
So, happy break in – wie der Amerikaner sagt!